Die Tätigkeit der Theatergruppe „Teatrul Vienez de Copii“ (Wiener Kindertheater), die von der österreichischen Regisseurin und Schauspielerin Sylvia Rotter vor mehr als 15 Jahren als rumänische Filiale ihrer Nichtregierungsorganisation „Wiener Kindertheater“ gegründet wurde, besteht nicht nur in der Veranstaltung von Theaterkursen für Kinder und Jugendliche und der Inszenierung von klassischen Komödien, sondern auch in ihrem Engagement für die Erarbeitung spielerischer Bildungsalternativen durch Theater und Kunst zur Entwicklung der jungen Teilnehmer auf Gefühls- und Kommunikationsebene, sowie für die Umwelt und Nachhaltigkeit. Seit 2014 organisiert das Wiener Kindertheater Vorträge und Besprechungen zu pädagogischen Themen und seit diesem Jahr auch zur Schaffung von Umweltbewusstsein.
Ab Februar 2023 wurde das ehrgeizige Projekt des Wiener Kindertheaters „Öko-Bewusstsein – Weiße Charta der Biodiversität und des Klimawandels“ entwickelt und bald darauf erregte es die Aufmerksamkeit der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, die im Juli beschloss, es zu unterstützen und mit insgesamt 30.000 Euro über einen bis Jahresende 2023 laufenden Vertrag zu finanzieren. Die Ergebnisse des Projekts und die veröffentlichte Charta wurden Ende November in der Residenz des deutschen Botschafters Dr. Peer Gebauer im Beisein von Vertretern des Umweltministeriums, wichtigen Akteuren im Bereich des Umweltschutzes, NGO-Leitern und Professoren vorgestellt.
Deutsches Engagement
Zum Auftakt der Veranstaltung betonte Botschafter Gebauer, dass der Umweltschutz und die Bewahrung der Biodiversität eines gesamtgesellschaftlichen Ansatzes bedürften, bei dem jeder einzelne Mensch die Möglichkeit habe, zu entscheiden, wie nachhaltig er sein Leben führen möchte, um die vorliegenden Energieherausforderungen zu bewältigen. Noch wichtiger aber sei die Rolle der Menschen als organisierte Zivilgesellschaft, die den Prozess initiiert und die Regierungen immer zum Handeln gedrängt haben. „Deutschland hat sich stark dafür eingesetzt, den Ausbau erneuerbarer Energien bis 2030 zu verdreifachen und natürliche Lösungen zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen und des Treibhauseffekts anzuwenden“, ergänzt der Botschafter.
Er schloss seine Einführungsrede mit einer Einladung an alle, sich für den Umweltschutz zu engagieren. Die Weiße Charta sei noch immer ein offener Prozess, nicht nur für NGOs und Partner, sondern für alle Bürgerinnen und Bürger.
Abgelegenes Dorf als Ausgangspunkt
„Die Charta der Biodiversität und und des Klimawandels“ ist ein strategisches Dokument und wurde von Umweltexperten sowohl von NGOs als auch von öffentlichen Institutionen und Universitäten entwickelt, erklärte Projektmanagerin Georgiana Grigore vom Wieder Kindertheater in Rumänien. Der Grundstein der Charta wurde im August während einer Öko-Inforeise für Fachleute und Journalisten in das Maramurescher Dorf Breb, im Herzen des Naturschutzgebiets Creasta Cocoșului, gelegt. Dabei teilten die teilnehmenden Expertinnen und Experten ihr Wissen mit, sie besprachen den Inhalt der später entstandenen Charta, unternahmen Naturwanderungen durch den örtlichen ökologischen Korridor und organisierten Treffen mit lokalen Handwerkern, welche ihnen auch die Ortstraditionen präsentierten.
Das traditionelle rumänische Dorf Breb, 50 Kilometer von Neustadt/Baia Mare und 25 Kilometer von Sighetu Marmației entfernt, ist seit 1954 Teil des Naturschutzgebiets Gutâi-Creasta Cocoșului, welches auch in die Liste der europäischen Naturstätten des Netzwerks Natura 2000 aufgenommen wurde, mit dem Ziel, dessen Pflanzen- und Tierarten zu erhalten und darin einen ökologischen Korridor zu schaffen. In diesem Dorf werden noch ländliche rumänische Bräuche und Traditionen bewahrt und die Einwohner pflegen einen einfachen und nachhaltigen Lebensstil.
Grundsätze und Prioritäten
Die Verfasser der Charta setzten sich zehn Prioritäten als Ziele, vor allem die Erhaltung der bestehenden Tier- und Pflanzenarten und ihrer Habitate, die Wiederherstellung der Ökosysteme, die Förderung naturbezogener Lösungen als Hauptanpassungsmittel an den Klimawandel, die Unterstützung naturfreundlicher land- und forstwirtschaftlicher Praktiken, die Versicherung einer entsprechenden Finanzierung für Schutz- und Anpassungsinitiativen, die Einbindung der Klimapolitik, die Erziehung und Sensibilisierung der Bürger für Umweltfragen, die Erweiterung der nachhaltigen und Kreislaufwirtschaft, die Erforschung und Beobachtung der Umwelt und internationale Kooperation.
Das Projekt soll mithilfe von ebenfalls zehn Grundsätzen umgesetzt werden. Erstens soll eine detaillierte und partizipative Planung mit der Einbeziehung aller Interessenten erfolgen, dann soll das Projekt durch die Zuweisung von finanziellen Ressourcen in Gang gesetzt und Schritt für Schritt begutachtet und bewertet werden. Flexibilität und Transparenz sind dabei wesentliche Elemente. Als Nächstes befinden sich auf der Liste Schulung und Kompetenzaufbau, interinstitutionelle Partnerschaften sowie mit NGOs und einzelnen Bürgern, der Austausch und die Verbreitung bewährter Praktiken und nicht zuletzt die regelmäßige Überprüfung der Ergebnisse.
Die Zusammenarbeit mit NGOs und Institutionen in der Maramuresch wurde mittlerweile auf Organisationen aus allen Teilen des Landes ausgeweitet. Ermutigt wird die Einbeziehung von mehr Umweltorganisationen und Institutionen zur Unterzeichnung dieser Charta und zur Kooperation im Sinne der Umsetzung der darin genannten Grundsätze und deren Förderung auch durch Lehrkräfte in Schulen.
Strategien des Umweltministeriums
Seitens der Entscheidungsträger ermöglichte als nächste Rednerin, Ioana Vasiliu, Beraterin für europäische Angelegenheiten im Ministerium für Umwelt, Gewässer und Wälder, einen Einblick in die Strategien des Umweltministeriums zur Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung daran.
Aufgrund des großen Potentials Rumäniens habe das Ministerium das Kulturerbe als neues Kapitel der überarbeiteten Strategie zur Anpassung an den Klimawandel eingeführt, die nun im Einklang mit den europäischen Vorschriften stehe. Außerdem hat Rumänien die Nationale Strategie zur Bildung für Klimawandel und nachhaltige Entwicklung 2022/2023 verabschiedet, deren Umsetzung läuft. Teil der Strategie ist unter anderem auch die Grüne Woche in Schulen, deren Aktivitäten eine digitale Bibliothek mit Informationen zum Thema Mülltrennung zur Verfügung steht, und die Aufklärung der Staatsbeamten über den Klimawandel.
Beitrag des akademischen Umfelds
Das akademische Umfeld war durch zwei Gastrednerinnen vertreten. Carmen Postolache, Chemikerin und Dozentin an der Fakultät für Umweltwissenschaften der Universität Bukarest, verwies darauf, dass Biodiversität sich nicht nur auf ein komplexes Beziehungsgeflecht zwischen den Arten bezieht, sondern auch darauf, wie dieses von Veränderungen in der Ökosphäre (Atmosphäre, Hydrosphäre, Lithosphäre usw.) abhängt und beeinflusst wird.
Um die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt näher zu beschreiben, zählte sie die vom amerikanischen Biologen Edward Wilson identifizierten Faktoren auf.
Neben dem Klimawandel stellen der Verlust, die Fragmentierung und die Verschlechterung des Lebensraums als Gebiet, das von einer Art bewohnt wird und ihr alle Ressourcen bietet, die sie zum Überleben benötigt, eine der wichtigsten Auswirkungen auf die biologische Vielfalt dar. Dies hat die Reduzierung der Populationen einer bestimmten Art zur Folge, wie im Fall der Störe, die flussaufwärts entlang der Donau wandern und deren Zugang durch hydrotechnische Anlagen wie Dämme, die ihren Lebensraum zerschneiden, deutlich erschwert wird.
Die absichtliche oder versehentliche Einführung von invasiven Arten aus anderen Gebieten, die mit örtlichen Arten in Konkurrenz um Nahrung und Schutz treten, führt zur Gefährdung der letzteren. An der Verschmutzung und dem Raubbau an Ressourcen durch den Menschen leiden alle Teilsysteme des Ökosystems.
Nachhaltige Entwicklung bedeute, so Postolache, nicht unbedingt eine Einschränkung der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, sondern „unsere Konsumrate an die Fähigkeit der Umwelt, sich selbst zu regenerieren, anzupassen“.
Gabriela Ionescu, Forscherin an der Fakultät für Energie der Universität Politehnica Bukarest, hat sich die Abfallwirtschaft als Forschungsgebiet gewählt und sieht „einen Schatz im Abfall“. Solange Rumänien kein quantitatives und qualitatives Niveau der getrennten Abfallsammlung erreicht, kann ihres Erachtens hierzulande keine Technologie der Abfallbewirtschaftung implementiert werden. Sie erinnerte an das Beispiel Deutschlands, wo innerhalb von 50 Jahren ein Anteil von 80 Prozent an Recycling und getrennter Abfallsammlung erreicht worden sind. „Die Erfahrung und bewährten Praktiken aus Deutschland, den skandinavischen und asiatischen Ländern in dieser Hinsicht könnten uns zum Vorbild dienen“, schloss die Forscherin.
Über die Schlüsselrolle der menschlichen Komponente, des ökobürgerlichen Geistes, des individuellen Engagements für die Umwelt und der Erziehung im Geist der Ökologie waren sich alle Redner einig.
Rettung der Wälder
Codrii Vlăsiei, die Waldfläche um Bukarest, macht nur 16 Prozent der Fläche des Kreises Ilfov aus – nach den gängigen Regeln ein Walddefizit. Eine Waldbedeckung von mindestens 30 Prozent des Areals sei erforderlich, erklärte Alexandru Găvan, Gründer der Bürgerplattform „Impreună pentru Centura Verde“ (Zusammen für den grünen Gürtel). Ungeachtet dessen wurden in Ilfov im Jahr 2022 mit behördlicher Genehmigung über eine halbe Million Bäume gefällt.
Des Weiteren sei das Öffentliche Gesundheitsamt zu dem Schluss gekommen, dass die durchschnittliche Lebenserwartung der Einwohner der Hauptstadt (die 10 Prozent der Gesamtbevölkerung Rumäniens ausmachen) um vier Jahre steigen würde, wenn die Behörden die bereits festgelegten Ziele zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung erreichen würden.
Eine weitere Studie platziert Bukarest an erster Stelle in der Rangliste der europäischen Hauptstädte in Bezug auf den Verschmutzungsgrad, gemessen an den Haushaltskosten für die Behandlung der durch Luftverschmutzung verursachten Krankheiten (6,35 Milliarden Euro pro Jahr). Zudem verfüge Bukarest über die geringste Anzahl an Quadratmetern Grünfläche pro Einwohner. „Eine Stadt kann nicht gesund sein, wenn ihre Bewohner krank sind“, betonte Alexandru Găvan.
Die von ihm gegründete Bürgerplattform wird von über 150 NGOs und relevanten öffentlichen Persönlichkeiten unterstützt und schlägt konkrete Maßnahmen vor. Gemeinsam mit Mitinitiatoren von allen Parteien wurde ein Gesetzesentwurf erarbeitet, der darauf abzielt, in einem ersten Schritt die verbliebenen Wälder rund um Bukarest zu schützen, sie aufzuforsten, den Bürgern Zugang zu den Wäldern als Erholungsgebiete zu ermöglichen und später das Projekt auch auf das restliche Rumänien zu erweitern. Das Gesetz wurde inzwischen vom Senat einstimmig angenommen und wartet auf die Abstimmung in der federführenden Abgeordnetenkammer.
Mittlerweile hat das hauptstädtische Oberbürgermeisteramt das Projekt in den Aktionsplan für eine Grüne Stadt (PAOV) aufgenommen. Dieses wird für Bukarest mit technischer Unterstützung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) erarbeitet.