Die Gemeinschaft lebt vom freiwilligen Einsatz

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Botsch/Batoș im Kreis Muresch ist nicht unbedingt eine Ortschaft, von der man viel hört oder liest. So manch einem dürfte Botsch durch den dort hergestellten Apfelessig bekannt sein. Sucht man aber Botsch in den sozialen Medien, findet man ein reges Jugendprogramm unter dem Titel CER la Batoș (Casa Educației Reghin la Batoș). Der in Sächsisch-Regen/Reghin ansässige Verein feierte in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen. Seit 2021 wurde in Botsch eine Niederlassung des Vereins ins Leben gerufen. Die treibende Kraft dahinter ist Ioana Göllner. 

Von Botsch in die weite Welt und zurück

Die aus Botsch stammende Ioana Göllner (Jahrgang 1984) besuchte das Samuel-von-Brukenthal-Lyzeum in Hermannstadt/Sibiu. In ihrem Abschlussjahr erfuhr sie von der Möglichkeit, ein freiwilliges soziales Jahr in Deutschland zu leisten. Da ihr zu jenem Augenblick nicht wirklich klar war, wohin ihr Lebensweg führen sollte, packte sie die Möglichkeit beim Schopfe, zugleich auch ihre Koffer, und zog, trotz der Bedenken ihrer Eltern und den skeptischen Blicken ihrer Jahrgangskollegen, nach Deutschland. Während ihres Einsatzes innerhalb der Diakonie Baden im Martinshaus in Berghausen verstand sie, wie wichtig der Freiwilligeneinsatz, damals in Rumänien noch ein Fremdkonzept, für eine funktionierende Gesellschaft ist. Mit dem Martinshaus blieb sie auch nach dem Einsatz verbunden und nahm während ihres Studiums der „Europäischen Kultur und Ideengeschichte sowie Angewandte Kulturwissenschaft“ am Karlsruher Institut für Technologie dort eine Teilzeitstelle an. Ihr Weg führte sie dann nach Spanien, wo sie nach drei Jahren einen Master für Soziale Kommunikation an der Universität Complutense in Madrid absolvierte. 

Während des Studiums (2008-2011) war sie Stipendiatin des Evangelischen Studienwerks e.V. Villigst, zu dessen 5er-Rat sie zwischen 2016 und 2021 gehören sollte. Zwischen 2006 und 2017 arbeitete Ioana Göllner als selbstständige Bildungs- und Kulturreferentin für die Diakonie Baden. Dabei war sie zuständig für die Durchführung der Regelseminare für die Freiwilligen in Deutschland. In dieser Zeitspanne war die Koordination des Wahlseminars: „Go East – Go Romania“ ihr Lieblingsprojekt. Dabei versuchte sie, jungen Erwachsene, die sich in Deutschland im freiwilligem Einsatz befanden, Rumänien näher zu bringen, ohne aber ein idealisiertes Bild zu vermitteln. 2017 kehrte sie nach Rumänien zurück, wo sie zwischen 2018 und 2020 Trägerin des Gerhard-Möckel-Stipendiums an der Evangelischen Akademie Siebenbürgen in Hermannstadt/Sibiu war. 

Die Corona-Pandemie und der damit verbundene Lockdown führten dazu, dass die Stadt für Ioana zu eng wurde, so dass sie beschloss, mit ihrer Familie nach Botsch, das Dorf ihrer Großeltern,  zu übersiedeln. 

Aus der Pandemie zur dörflichen Zivilgesellschaft 

In dem kleinen Dorf angekommen suchte Ioanas reger Geist schon bald nach Aufgaben und sie erkannte zugleich Handlungsbedarf. Die evangelische Kirchenburg und das leerstehende Pfarrhaus sehnten sich danach, erneut mit Leben gefüllt zu werden. „Nach zwei, drei Wochen stellte ich mir die Frage, was mach ich nun hier. Ich suchte den Kontakt zur evangelischen Gemeinde vor Ort. Ich fand eine Gemeinde mit 41 Mitgliedern, von denen aber nur sechs, sieben Personen den Gottesdienst besuchten. Ich erlebte ein Gefühl von Leere und Schönheit zugleich.“  

Für die ersten Ideen sollte der 2013 gegründete Verein Casa Educației Reghin (CER), dessen langjähriges aktives Mitglied sie war und dessen Vorstand sie 2017 übernommen hatte, den institutionellen Rahmen liefern. Die Geschichte des Vereins beginnt im Jahre 2000, als eine Reisegruppe um Dr. Konrad Fischer in Weilau/Uila ankam und die Not vor Ort erlebte. Man beschloss zu handeln, gründete einen Verein und machte sich an die Arbeit. Man besorgte einen Schulbus, man vergab Stipendien, man versorgte die Kinder mit allem, was für einen regulären Schulbildungsweg notwendig war. Dann gründete man  2013 den Tochterverein CER und 2021 unter Ioana Göllners Federführung dessen Niederlassung in Botsch. Ioanas Handlungsdrang ist in der regen Tätigkeit dieser Niederlassung sofort zu erkennen. In weniger als zwei Jahren wurden in der Kirchenburg mehr als 100 außerschulische Aktivitäten durchgeführt. Sie konnte für den Verein die kostenlose Nutzung des leerstehenden Pfarrhauses sichern und Schritt für Schritt den Umbau und die Umgestaltung in ein Kinder- und Jugendzentrum vorantreiben. „Dadurch wurde irgendwie ein Kreis geschlossen“, erzählt Ioana. „Als ich meine Idee, ein Kinder- und Jugendzentrum im Pfarrhaus in Botsch zu gründen, Konrad Fischer vorlegte, erzählte er mir, dass, damals, als sie mit dem Weilauer-Projekt begannen, er von einem Haus träumte, in dem man mit und für Kinder arbeiten kann. Ein Traum, der nach 22 Jahren auf dem Weg ist, Wirklichkeit zu werden.“  

In erster Linie ging es Ioana um die Stärkung der Zivilgesellschaft vor Ort. Vielleicht ein wenig hochtrabend, in einem kleinen rumänischen Dorf über Zivilgesellschaft zu sprechen, doch hier wollte sie ansetzen. Was sie aus der Erfahrung wusste, setzte sie ein: der Weg zu den Erwachsenen führt über die Kinder. Als sie in einer Sitzung des Vereins die Idee eines Kinderprogramms in Botsch vorlegte und die ersten Überlegungen gemacht wurden, wann man damit beginnen könnte, sagte man ihr: „Am besten nächste Woche“. Mehr als das brauchte Ioana Göllner als Impuls nicht. Da in der darauffolgenden Woche Erntedankfest gefeiert werden sollte, bereitete man mit ein paar Kindern etwas vor. Doch einmalige Geschehen, dass wusste sie, bringen nicht wirklich viel. Also beschloss man, jeden Samstag um 15 Uhr in der Kirchenburg etwas für die Kinder des Dorfes anzubieten. „Wir wollten nicht etwas aufbauen, in das die Kinder ´reingesetzt´ werden, sondern wir wollten den Raum mit den Kindern für die Kinder gestalten. Wir wollten und wollen uns nicht beeilen. Lieber etwas Schönes und zugleich als Idee und Projekt Nachhaltiges aufbauen. Es gilt dabei, einen Raum zu schaffen, in welchen sowohl die Kinder wie auch die Freiwilligen gerne kommen, und nicht da sind, weil sie es müssen.“  

Obwohl sie am Anfang mit der landesüblichen Skepsis konfrontiert wurde, warf Ioana Göllner nicht die Flinte ins Korn, sondern biss die Zähne zusammen und blieb beharrlich auf scheinbar verlorenem Posten. Und es sollte sich auszahlen: „Wenn wir mal samstags nicht das Treffen abhalten können, was eigentlich so gut wie nie passiert, sind die Kinder unglaublich enttäuscht. Es gehört inzwischen zum Dorfleben, die Kinder am Samstag durch das Tor der Kirchenburg durchschreiten zu sehen. Jeder im Dorf weiß: Samstags um 15 Uhr gibt es Kinderprogramm. Das Schönste dabei ist das Gefühl der Zugehörigkeit, welches vermittelt wird“.

Eine aktive Zivilgesellschaft ohne Mitwirkende kann nicht funktionieren. Also ging der Blick zugleich in die Vergangenheit und in die Zukunft. Sie appellierte an die in Botsch ansässigen Jugendlichen, die Teil des Förderprogramms des Bildungswerks in Sächsisch-Regen gewesen waren und baute sich mit ihnen und anderen freiwilligen Mitarbeitern ein neues Team auf. Nun waren die Kräfte gebündelt: der deutsche Trägerverein (Bildungswerk Weilau e.V), der Mutterverein in Sächsisch-Regen mit der Niederlassung in Botsch, die Evangelische Kirche und das Team vor Ort. Man zog am selben Strang und hatte Erfolg. So erfolgreich war das Programm, dass nun monatlich das Angebot auch im Nachbardorf Weilau, in Kooperation mit dem orthodoxen Pfarrer vor Ort, durchgeführt wird. 

Die Zukunft: ein wirkliches Bildungshaus

Ioana Göllner wäre nicht Ioana Göllner, wenn sie nicht den Wert vorhandener Strukturen, die sie meistens selber mitgestaltet hat, erkennen würde, um darauf zukunftsweisende Projekte aufzubauen. Wenn man schon die von der Kirchenburg und dem Pfarrhaus angebotene Infrastruktur nutzt und man dieser eine für das Dorf neue identitätsstiftende Funktion zugeschrieben hat, muss man sich auch um deren Sicherung bemühen. Wichtig dabei sind „in erster Linie die Menschen, die Kinder, die gerne her kommen und natürlich auch das Geld. Doch es bleibt wichtig, dass hinter dir Menschen stehen, die an deine Idee glauben. Dann kannst du nicht so einfach aufgeben. Zugleich bist du dadurch angehalten, zu versuchen, die Sachen gut zu machen“, betont sie. Also arbeitet das oben genannte Konsortium an einem EU-Projekt mit, welches die Sicherung und Sanierung der Kirchenburg bewerkstelligen soll, was letztendlich auch den Raum geeigneter für Kinderprogramme machen soll.

Zeitgleich wird ein After-School-Programm ins Leben gerufen, im Rahmen dessen Unterricht auf Deutsch und Englisch, sowie ein Musikausbildungsprogramm angeboten werden sollen. Dieses soll dann die Vorstufe zu einem richtigen Bildungshaus werden. „Die Vision eines Bildungshauses, die Konrad Fischer hatte, als er 2002 mit dem Motorrad in Weilau ankam, ist das, wo-ran wir nun mit ganzem Herzblut arbeiten. Um dieses aber zu verwirklichen, einen farbenfrohen Raum der seelischen Wärme, der Zuwendung, aufbauen zu können, bedarf es der Mitwirkung der Gemeinschaft. Erst dadurch können wir etwas Schönes und Nachhaltiges schaffen. Im Alleingang ist so etwas nicht zu erreichen.“ Der große Traum dahinter ist, dass sich die Einrichtung in Botsch, samt Kirchenburg, Pfarrhaus und Gemeinde selber tragen kann. Dieses ist noch nicht der Fall, darum ist man weiterhin auf Unterstützung angewiesen. (Anm. d. Autors : dies ist unter bw-weilau.de/kontakt möglich). 

Fragt man Ioana Göllner, was die treibende Kraft hinter ihrem Einsatz ist, sagt sie: „Ich glaube, dass eine wahrhaftige Gemeinschaft nur dort existieren kann, wo Menschen da sind, die freiwillig an der Umgestaltung derselben mitwirken. Dieses gilt überhaupt im ländlichen Raum in Rumänien. Zugleich ist es wichtig, in dieser Form an einer besseren Zukunft für unsere Kinder zu arbeiten. Was ich am freiwilligen Einsatz liebe, sind die losen Formen. Es gibt keine Vorschriften dafür, wie der freiwillige Einsatz auszusehen hat. Man macht etwas, weil man es will und daran glaubt, zum Unterschied von all den Sachen, die man im Alltag eben machen muss.“ 

Sursa: https://adz.ro/artikel/aktuell/artikel/die-gemeinschaft-lebt-vom-freiwilligen-einsatz

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