Hermannstadt – Als Gastdirigent Giuseppe Sabbatini aus Italien Mitte Februar 2016 mit dem Orchester der Staatsphilharmonie Sibiu die symphonischen Programmstücke „Fontane di Roma“ und „Pini di Roma“ von Spätromantiker Ottorino Respighi aufführte, betonte er während der Probenarbeit die Orientierung am Pulsschlag – und just im selben Augenblick, da er von ihm sprach, zeigte er auf seine Armbanduhr und meinte ironisch, dass die Einteilung der Zeit mit dem tickenden Zeiger eine „furchtbare Erfindung der Menschheit“ gewesen wäre. Völlig falsch kann er damit nicht gelegen haben. An Uhrwerk und Zifferblatt dagegen ist längst nichts mehr dran, was einen Verzicht darauf rechtfertigen könnte. Einfach viel zu wichtig das Bedürfnis nach Gliederung der Zeit, als dass man ohne ab und zu auf eine Uhr zu schauen durchs Leben gehen könnte. Sogar der Programmzettel für die barocke Abendmusik in der evangelischen Stadtpfarrkirche Hermannstadts am Samstag, dem 25. November, zollte dem getakteten Empfinden der Lebenswirklichkeit zu Ende des liturgischen Kirchenjahres Tribut. Punkt eins im Konzert war eine „Intrada“ von Alessandro Orologio, dessen Nachname mehr als nur ein belangloses Wortspiel andeutet. Das zweite Stück des Abends schließlich ließ keinen Zweifel mehr aufkommen, worum es eine Stunde lang gehen sollte: die ersten gesungenen Zeilen der Kantate „Die Zeit meines Abschieds ist vorhanden“ von Virtuose Nicolaus Bruhns stimmte Elisa Gunesch (Alt) an, im Quartett von Nicolae Simonov (Tenor), Melinda Samson (Sopran) und Horațiu Coman (Bass) gefolgt.
Ein QR-Code auf dem Programmzettel half, den wahlweise auf Deutsch, Rumänisch oder Englisch gewünschten Text der Solo-Kantate in lateinischer Sprache „O clemens, o mitis, o coelestis Pater“ von Nicolaus Bruhns´ Lehrmeister Dieterich Buxtehude aufzuschlagen, die sängerisch Melinda Samson meisterte, ehe Horațiu Coman, Nicolae Simonov und Elisa Gunesch bei dem „Klaglied“ Buxtehudes erneut gefordert waren, den barocken Vokabeln für den Ewigkeitssonntag zu viert Aussprache und Stimme zu geben. Vorschlusspunkt der Abendmusik war die Sterbegebets-Vertonung „So ziehet hin“ von Johann Bahr aus Schleswig, ab 1638 bis zu seinem Tod 1670 im schwedischen Visby auf der Ostseeinsel Gotland tätig.
Johann Sebastian Bachs ausführlichen „Actus Tragicus“ hatten Brita Falch Leutert (Orgel), Jürg Leutert (Kontrabass), die vier Solistinnen und Solisten sowie Julia Willeitner, István Csata, Gabriel Sili{teanu (Viola da gamba), Monika Robescu und Erika Klemm (Blockflöte) sich nicht ohne Grund für das Finale der Abendmusik aufgehoben. Horațiu Coman, dessen korpulenter Bass im Quartett-Gesang dann und wann mit der gesammelten Kraft der drei höheren Stimmen zu kämpfen hatte, nahm in seiner vom Paradies kündenden Arie feine Revanche, ohne auf den berüchtigt hohen Spitzentönen die Gewalt seiner eigenen vokalen Fähigkeiten demonstrieren zu wollen. Nicht zu vergessen die rein instrumentale „Pavana“ von Däne Jacob Řrn als Intermezzo zwischen den zwei Kantaten Dieterich Buxtehudes, die das Klingen der Abendmusik wortlos auf den Ewigkeitssonntag abstimmte.