„Es fällt mir leichter zu verstehen, welche Herausforderungen Minderheiten in einem Land haben“

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Seit September 2022 ist Anne Herrmann als ifa-Kulturmanagerin am Demokratischen Forum der Deutschen in Hermannstadt (DFDH) tätig. Sie kommt aus Dresden, hat lange in Berlin und Potsdam gelebt und kümmert sich nun um Kultur- und Jugendprojekte am DFDH. Zu ihrer Tätigkeit und ihren Eindrücken in Hermannstadt/Sibiu sprach sie mit ADZ-Redakteurin Aurelia Brecht.

Frau Herrmann, seit Herbst 2022 sind Sie am DFDH tätig. Wie kam es, dass Sie eine Stelle in Hermannstadt angenommen haben?


Ich habe mich dazu entschlossen, weil klar war, dass ich mit meiner Familie hierher komme. Mein Mann hatte schon eine Stelle an der Uni in Hermannstadt. Dann habe ich gehört, dass die ifa-Stelle frei wird und dachte, dass das passend wäre, weil es auch der Bereich ist, in dem ich studiert habe: Kultur- und Medienmanagement. Die Stelle wurde ausgeschrieben, ich habe mich beworben, Glück gehabt und wurde angenommen. Im Jahr 2012 war ich das erste Mal in Rumänien und habe in Bukarest an einer Schule ein Projekt durchgeführt. Ich war danach öfter in Rumänien und auch in Hermannstadt beim Theaterfestival.

Wie haben Sie die erste Zeit am Forum Hermannstadt erlebt?

Als ich im September 2022 ankam, gab es gleich eine Jubiläumstagung des deutschsprachigen Pädagogik-Studiengangs an der Lucian-Blaga-Universität. Im Rahmen dieses Jubiläums sollten die Hermannstädter Gespräche stattfinden, die im Forum schon sehr lange Tradition haben und schon länger durch die ifa- Kulturmanagerinnen und Kulturmanager durchgeführt werden. Ich hatte die Aufgabe, ein Gespräch zu konzipieren, den Antrag beim ifa zu stellen. Insofern bin ich relativ schnell in die Arbeit am Forum reingerutscht. Das war schon sehr stressig, aber auch intensiv und spannend, weil ich dadurch schnell viele Leute kennenlernen konnte. Das war der Einstieg, und nach einer Woche hat es sich so angefühlt als wäre ich schon lange da.

Wie sieht Ihre Arbeit als Kulturmanagerin am Hermannstädter Forum aus?

Die Arbeit ist sehr vielseitig. Ich bin sehr frei in meiner Projektauswahl, aber es gibt auch Vorgaben: Traditionelle Formate wie die Hermannstädter Gespräche oder der Forumsclub, bei denen es darum geht, Menschen zusammenzubringen, sich mit Themen der deutschen Minderheit auseinanderzusetzen oder neue Themen anzubieten. Darüber hinaus organisiere ich eine ganze Menge weiterer Projekte im Kulturbereich: Eine meiner Hauptaufgaben ist es, junge Menschen ans Forum heranzuführen. Das tun wir im Moment unter anderem mit dem „Juniorbotschafterprogramm“, ein Praktikumsprogramm, das meine Vorgängerin ins Leben gerufen hat. Es ermöglicht jungen Leuten, für einen längeren Zeitraum die Arbeit am Forum zu begleiten. Meine Arbeit ist aber nicht nur auf das Hermannstädter Forum beschränkt. Ich arbeite auch mit den anderen Foren im Haus zusammen, zum Beispiel mit dem Siebenbürgenforum: Nächstes Jahr findet das Große Sachsentreffen statt. Dort möchte ich unterstützen und begleiten. Im Moment leite ich gemeinsam mit einem Schauspieler und einer Schauspielerin am Gong-Theater noch eine deutschsprachige Jugendtheatergruppe. In diesem Jahr geht es dabei vor allem darum, sie in Workshops an die Theaterarbeit heranzuführen, ihnen Improvisationstechniken beizubringen oder Möglichkeiten des kreativen Schreibens zu zeigen. Im ersten Jahr habe ich auch mit Schulen kooperiert, zum Beispiel im Rahmen von „Schule anders“/„Școala altfel“ oder von „Școala verde“. Ich führe Kulturprojekte im weitesten Sinne durch. Im Rahmen der „Școala Verde“ hatten wir ein Projekt zum Thema Umwelt. Schülerinnen und Schüler aus Mühlbach/Sebeș erfuhren im Biologieunterricht alles rund um das Imkern, bauten eigene Bienenkästen. Dabei konnten sie mit neuen Fachbegriffen ihre Deutschkenntnisse verbessern und ausbauen. Und zum Abschluss gab es im Spiegelsaal des Forums eine große öffentliche Präsentation aller wichtigen Schritte der Honigherstellung und eine Honigverkostung. Es gibt viele Möglichkeiten, Projekte und Ideen hier im Forum umzusetzen, aber ich spreche meine Ideen vor der Umsetzung immer mit dem Hermannstädter Forum, aber auch mit dem Siebenbürgenforum und dem Landesforum ab. Vor Kurzem gab es in den Herbstferien ein Kooperationsprojekt für Schülerinnen und Schüler zum Thema Umwelt und Natur mit der ifa-Kulturmanagerin in Fogarasch/Făgăraș und der Jugendreferentin in Kronstadt/Brașov. Übergreifende Projekte sind also auch möglich.

Welche Projekte liegen Ihnen besonders am Herzen?

Ich bin interessiert an thematischen Projekten, wobei das Format nicht die entscheidende Rolle spielt. Im Rahmen der Hermannstädter Gespräche ist das zum Beispiel möglich. Hier gab es vor Kurzen z.B. Gespräche zum Thema „Kinderrechte“. Aber auch andere Themen wie Umwelt und Natur oder Bildung interessieren mich. Wichtig ist mir auch die Kooperation mit dem Gong-Theater, wo auch deutschsprachige Jugendliche involviert sind, die bisher gar keinen Kontakt zum Forum hatten. Auch die traditionellen Formate liegen mir am Herzen. Für mich ist es spannend, mit vielen unterschiedlichen Menschen zu arbeiten.

Wo liegen die Herausforderungen in Ihrer Tätigkeit?

In der Bürokratie – weil ich einerseits in Deutschland angestellt bin, aber auch hier. Das sind zwei unterschiedliche Formen der Bürokratie und der Abwicklung. Eine Herausforderung ist auch, dass ich für mich eine Planung mache und dann immer noch etwas zusätzlich dazu kommt. Das hat viel mit der Spontanität auf allen Seiten zu tun – nicht nur hier vor Ort, sondern auch von Deutschland aus. Da gibt es manchmal recht spontane Anfragen, die irgendwie untergebracht werden müssen. 

Sie sind nun ein Jahr hier. Was hat Sie besonders überrascht?

In dem Rahmen, in dem ich hier tätig bin, hat mich überrascht, wie offen die Leute sind und wie schnell sie einen aufnehmen, auf einen zukommen und sich freuen, auch wenn man sich erst kurz kennt. Teilweise ging es schnell, auf eine Ebene zu kommen, auf der man sich gut mit verschiedenen Leuten austauschen kann. Oft arbeite bzw. organisiere ich Projekte allein – trotzdem kann ich mit meinen Fragen (vor allem im Forum) an unterschiedliche Menschen herantreten. Selbst wenn die Leute gerade nichts wissen, kommen sie ein bis zwei Tage später zu mir und haben ein Zettelchen mit Namen oder Ideen dabei und sagen: Guck mal, vielleicht passt das noch dazu? Das fand ich überraschend und sehr schön für die Arbeit.

Wie erleben Sie die deutsche Minderheit vor Ort?

Ich erlebe sie ja vor allen Dingen hier im Forum. Da erlebe ich viel Offenheit. Aber ich höre auch Fragen zur Zukunft, weil die Minderheit ja doch kleiner wird. Das wird auch bei Veranstaltungen angesprochen. Trotzdem merke ich, dass die deutsche Minderheit für viele eine große Rolle spielt: auch dadurch, dass der jetzige Präsident oder die Bürgermeisterin hier vor Ort aus der deutschen Minderheit kommen. Sie spielt eine Rolle, obwohl es wenige sind. Ich merke auch, dass hier viele junge Leute die deutsche Sprache lernen wollen, und sich für die Kultur engagieren, beispielsweise in den Jugendforen oder der Tanzgruppe hier in Hermannstadt.Die Juniorbotschafter, unsere Praktikanten, mit denen ich letztes Jahr gearbeitet habe, hatten einen kleinen Pod-cast entwickelt. In einer Folge ging es um das Thema „Heimat Siebenbürgen“, in der zwei Personen der deutschen Minderheit interviewt wurden. Die jüngere Person sprach darüber, dass sie ihre Tradition sehr gerne fortführt, aber natürlich mit einem neuen Gesicht. Sie hatte das sehr schön beschrieben: Dass es gar nicht darum geht, etwas aufzuzwingen, aber trotzdem weiterzugeben, weil es Spaß macht und verbindend ist. Das fand ich sehr angenehm zu hören.

Hat sich in der Zeit hier Ihr Blick auf Deutschland verändert?

Das passiert immer, wenn man im Ausland ist. Aber so richtig kann ich das gar nicht sagen. Auf das Thema Minderheit hat sich mein Blick verändert. In Deutschland war ich ja irgendwie Teil der Mehrheitsgesellschaft. Jetzt, nach der Zeit hier in Hermannstadt, kann ich mich, denke ich, besser in eine Minderheitenposition versetzen. Es fällt mir leichter zu verstehen, welche Herausforderungen Minderheiten in einem Land haben. Das hat sich schon verändert.

Was ist für Sie das Besondere in Hermannstadt und Siebenbürgen?

Auf jeden Fall die Landschaft. Es ist beeindruckend, aus bestimmten Büros im Forumshaus rauszuschauen und immer diese Berglandschaft sehen zu können. In Hermannstadt finde ich es interessant, wie klein die Stadt ist und wie viel Kultur hier angeboten wird. Dadurch, dass alles immer zentral stattfindet, auf dem Marktplatz oder in der Nähe der Innenstadt, läuft auch jeder daran vorbei. Das finde ich wunderbar und auch irgendwie einzigartig für so eine kleine Stadt.

Welche Projekte sind für das Jahr 2024 geplant?

Ich würde gerne noch ein weiteres Theaterprojekt umsetzen. Traditionelle Projekte, wie die Hermannstädter Gespräche und den Forumsclub werde ich fortführen. Im Rahmen von „Școala Verde“ würde ich gerne noch einmal ein Projekt mit Schülerinnen und Schülern anbieten. Beim Sachsentreffen möchte ich einen Beitrag leisten. Und ich würde mich freuen, wenn die Juniorbotschafter ein eigenes Projekt umsetzen, entweder den Podcast, den ihre Vorgänger begonnen haben, oder etwas ganz Neues. Darin würde ich sie gerne begleiten.

Sursa: https://adz.ro/artikel/aktuell/artikel/es-faellt-mir-leichter-zu-verstehen-welche-herausforderungen-minderheiten-in-einem-land-haben

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