Hassrede, Trolle, Fake News und andere Demokratie-Attacken

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Sind Minderheitenrechte „Extra-Rechte“ für Minderheiten - oder Menschenrechte, die ihnen zustehen? Warum sind gewisse Sym- bole oder Reden - die Swastika, Holocaustleugnung - verboten? Ist diese Einschränkung der freien Meinung nicht eine Art Zensur? Warum haben wir bis heute kein Roma-Staatstheater? Und warum müssten wir eigentlich eines haben? Wie „böse Bots“ und Trolle im Internet Massen manipulieren und Demokratie auf eine Zer- reissprobe stellen... Warum Hassrede Menschenrechte untermi- niert und welche wichtige Rolle Journalisten in Prävention und Eindämmung spielen... Dass Völkermord nicht nur von Psychopa- then begangen wird und in welchen vorhersehbaren Stufen sich Massengräueltaten anschleichen... Und schließlich über den gro- tesken Versuch eines westlichen Konzerns, die Pressefreiheit zu unterminieren, dem ausgerechnet in Rumänien die Stirn geboten wurde...  

Diesen Fragen und spannenden Themen fühlen rund 25 Teilneh- mer mithilfe von sieben Experten an zwei intensiven Tagen auf den Grund. Der Workshop „Men- schenrechte und nationale Minder- heiten zwischen Normalität und Realität“ (14./15. Dezember 2023 im Bukarester Goethe-Institut), richtete sich gezielt an TV-Journa- listen und wurde vom Departe- ment für Interethnische Beziehun- gen der Regierung Rumäniens (DRI) in Partnerschaft mit der Hanns Seidel Stiftung (HSS) und dem staatlichen Fernsehsender TVR organisiert. Die Maßnahme zur Sensibilisie- rung von Journalisten kommt wie gerufen in einer Zeit, in der unser demokratisches Wertesystem in Europa wie nie zuvor Zielscheibe subversiver Kräfte geworden ist. Doch Journalisten können Multi- plikatoren sein im Kampf gegen Hassrede, Rassismus, Diskriminie- rung, Xenophobie, Antisemitis- mus, Antiziganismus und andere Angriffe auf unsere Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte.

Diskriminierung geht auch passiv

Sind Minderheitenrechte „Ex- tra-Rechte“ – oder Menschenrech- te, die den Minderheiten zustehen? „Viele glauben ersteres – falsch!“, erklärt Enikö Lacziko, Beraterin im Rechnungshof, davor acht Jahre lang Leiterin des DRI, in ihrem Vortrag über nationale Minderhei- tenrechte versus Antisemititsmus, Xenophobie und Intoleranz. Es gibt ein Recht auf Identität, auf Gleich- stellung - und darauf, selbst zu ent- scheiden, ob man als Minderheit (religiös, ethnisch, sprachlich, nati- onal) behandelt wird oder nicht. „Das Problem bei Diskriminie- rung ist nie das Opfer, sondern das Vorurteil des Betrachters“, stellt sie klar. Diskriminierung oder Rassis- mus kann auch passiv geschehen, erläutert sie am Beispiel der Staats- theater für Minderheiten: Es gibt ein deutsches, ein ungarisches und ein jüdisches, bald auch ein serbi- sches, aber bis heute kein Roma- Staatstheater, trotz der Größe die- ser Ethnie. Aber warum überhaupt staatliches Theater für Minderhei- ten? „Weil es ein Recht auf kultu- relle Identität, Kulturausübung und Zugang zu Kultur gibt“, er- klärt Lacziko. Und Rumänien sei vorbildlich, was den Rechtsrah- men betrifft - es hapert nur bei der Umsetzung: Geplant ist das Roma- Staatstheater schon seit 2002, aber es mangelte stets an Implikation, Geld, Projekten... Ein anderes Beispiel sind die Beipackzettel von Medikamenten, die laut Gesetz in allen Minderhei- tensprache erscheinen müssten. Oder das Verbot nazistischer Sym- bole: zur Illustration projiziert sie die ehemalige Schulbank ihrer Tochter an die Wand. Hingekrit- zelte Hakenkreuze, nicht nur in dieser, sondern in vielen Bänken und Schulen. Tägliche Konfronta- tion von Kindern mit verbotenen Symbolen, die keine Schulleitung sieht, oder zumindest thematisiert, geschweige denn entfernt. Warum aber braucht es Verbote von antisemitischen Symbolen oder Reden wie etwa Holocaust- leugnung - ist das nicht Zensur? „Nein“, widerspricht Lacziko. „Wir brauchen sie als Filter, wie man gewisse Dinge kommuni- ziert.“

Obskure Symbole kennen

Dragoș Hotea, Staatssekretär in der Kanzlei des Premierministers, zuständig für die nationale Strate- gie zur Prävention und Bekämp- fung von Antisemititmus, Xeno- phobie und Hassrede, geht von der These aus, dass die Mehrheit die Minderheiten nicht dominieren, sondern schützen müsse. Denn Kampf gegen Antisemitimus, Ras- sismus, Xenophobie bedeutet Schutz der Demokratie. Hotea zeigt Beispiele auf: die Vandalisie- rung von Denkmälern oder Kul- tusobjekten hierzulande; manipu- lative Reden, gebetsmühlenartig wiederholt, wie die von Putin zur „Denazifizierung“ der Ukraine. Er sensibilisiert aber auch für obsku- re Codes, die wichtig sind, wenn es um die Monitorisierung von Inter- net-Kommentaren geht, denn die- se sollten in der Öffentlichkeit nicht erscheinen: So verweisen Namen, in drei Klammern gestellt, „dis- kret“ darauf, dass der Genannte Jude sei. Die Zahl 18 stehe für „Heil Hitler“ (1 als erster Buchstabe A, wie Adolf; 8 als achter H, wie Hit- ler), 14 für die „Überlegenheit der weißen Rasse“. 6MWe bedeutet, „six Millions weren’t enough“ und bezieht sich auf die 6 Millionen im Holocaust ermordeten Juden. Es gibt Listen für solche Symbole, Journalisten könnten sich hierzu beim DRI und beim Nationalen Institut für das Studium des Holo- caust „Elie Wiesel“ informieren, so Hotea. Viele Symbole dienen als obs- kure Erkennungszeichen für eine bestimmte Gesinnung. Gabriela Ghindea vom Auschwitz Institut projiziert als Beispiel ein Plakat der Umwelt-Ikone Greta Thunberg an die Wand: Es zeigt sie mit einer Flagge „Save Palestine“ - und ei- ner winzigen Plüschkrake, antise- mistisches Symbol für die „kraken- hafte Machtstruktur“ des Weltju- dentums.

Im Universum der Sozialen Medien

Sieben Stunden täglich verbrin- gen Rumänen im Internet, erklärt Dr. Bogdan Oprea, Journalismus- Professor an der Uni Bukarest, der seit über 8 Jahren zum Einfluss von Fake News und Desinformation auf die Demokratie forscht. Haupt- schauplatz: das Internet. Die Global Player dieses Uni- versums, die sozialen Medien, stellt er bildhaft als Planeten dar (siehe Grafik, Stand 2020). Die größte Planetengruppe: Facebook (blau) mit 2.603.000.000 monatlich akti- ven Usern (MAU), gefolgt von Whatsapp (grün) mit 2.000.000.000 MAU, Messenger (rot) mit 1.300.000.000 MAU und Instagram (blau) mit 1.082.000.000 – die alle zur gleichen Firma gehören! Die mittlere Gruppe in der Grafik bil- den YouTube (2.000.000.000 MAU), Reddit (430.000.000), Snap- Chat (397.000.000), Pinterest (367.000.000), Twitter (326. 000.000), LinkedIn (310.000.000), Twitch (140.000.000). Rechts die Medien des asiatischen Gürtels: WeChat (1.203.000.000), TikTok (800.000.000), QQ (694.000.000), Weibo (550.000.000), Ozone (517.000.000), Telegram (400.000. 000), Viber (260.000.000), Line (187.000.000) und VKontakte (100.000.000). Von den Top 15 Plattformen für Sozialisierung, Video Sharing und Chat (Stand: Januar 2023) haben acht ihre Sitze in den USA (Face- book, YouTube, Whatsapp, Insta- gram, Messenger, SnapChat, Twit- ter, Pinterest), sechs in China (We- Chat, TikTok,etc.) und eine in Russ- land (Telegram).

Ein Drittel „böse Bots“

Den größten Teil des Verkehrs im Internet machen inzwischen Bots aus - automatisierte Programme, die oft vortäuschen, Personen zu sein. Davon sind rund ein Drittel „böse Bots“, auf Manipulation und Betrug ausgerichtet, erklärt Oprea. Sie erstellen falsche Ratings und Reviews, erteilen bestellte Likes, werden eingesetzt, um Geschäfts- gegner zu ruinieren oder Wähler- meinungen zu beeinflussen. Als Beispiel eine simple Metho- de, einen Konkurrenten auszu- schalten: Am Black Friday werden von Bots alle Plasma-TV-Geräte eines Anbieters in den Einkaufs- korb befördert und blockiert, was die echten Kunden automatisch zu anderen Anbietern dirigiert. Wie groß das Ausmaß der nicht- humanen Kommunikation bereits geworden ist, zeigen diese Exper- tenberichte: Aus dem „Imperva Bad Bot Report“ geht hervor, dass im Jahr 2022 ganze 42,3% des Internet- Verkehrs nicht-human waren; 2020 waren es 40,8%, im Jahr davor 37,2%. 2022 wurden davon 27,7% als böse Bots enttarnt. Die Weltbank behauptete 2023: Es gibt auf Facebook ungefähr zehn Mal so viele Bots wie aktive menschliche User – und 3,65 Mal so viele wie die Weltbevölkerung. Von Oktober 2017 bis März 2023 hat Facebook 29,01 Milliarden fal- sche Konten gelöscht (das sind nur die erkannten!). LinkedIn hat zwischen Januar 2019 und Dezember 2022 196,37 Millionen falsche Kon- ten eliminiert - 0,63% der aktiven User.

Bezahlte Saboteure – Trolling

Daneben gibt es Trolle – reale Personen, die im Auftrag anderer manipulieren. Sie treffen sich in Büros wie Redakteure in einer Redaktion, haben Zielvorgaben, eine Agenda, verbreiten gezielt Narrative. Sie greifen ein Land, eine Region oder eine Firma an und werden für Sabotage bezahlt. Eine Studie der Uni Bukarest zur Kampagne der Präsident- schaftswahlen 2019 ergab zum Thema Trolling: Bis zu 41,37% der Shares der offiziellen Posts der Kandidaten erfolgten durch User, die diese mindesten viermal ge- teilt haben; bis zu 13,34% der Shares wurden vom selben User bis zu 30 Mal weiterverteilt und 19,44% der User, die diese Posts mindestens zehnmal weiterver- teilt haben, sind erwiesenermaßen nicht human, sondern „böse Bots“, die die politische Debatte manipu- lieren. Identifiziert wurden sie durch „nicht authentisches“ menschliches Verhalten: Likes und Shares immer zur selben Stun- de, fehlende andere Aktivitäten auf den Konten, keine persönli- chen Posts, keine biografische Historie. Die „Washington Post“ berich- tete in einem Artikel vom 16. April 2023 : Die russische Regierung hatte viel mehr Erfolg in der Manipula- tion von Sozialen Netzen und dem Ranking von Suchmaschinen, als man zuvor angenommen hatte. Hunderttausende falsche Online- Konten wurden genutzt zur Ver- breitung von Lügen über die uk- rainische Armee sowie über an- gebliche Nebenreaktionen von Impfungen. Die Operateure die- ser Konten brüsten sich damit, in nur einem von hundert Fällen von den Netzbetreibern enttarnt zu werden. Laut einer Studie des Massachu- setts Institute of Technology (MIT) haben Fake News eine 70% grö- ßere Chance auf Weiterverteilung als wahre Nachrichten. Außer- dem dauert die Verbreitung einer wahren Nachricht an dieselbe Anzahl von Empfängern sechsmal so lang. Laut Recherchen der Uni Buka- rest gibt es Online-Dienste, die für relativ wenig Geld den Service von Bots oder Trollen anbieten: Für 15 USD kann man Fake News zwi- schen 500-800 Wörtern bestellen, für 45 USD 10.000 Followers pro Tag oder für 1700 USD ein Paket von 10 Fake News mit 100.000 Li- kes und 50.000 Tweets. Andere Dienste bieten 5000 Unterschrif- ten für eine Online-Petition um 379,88 Euro. Es gibt sogar kostenlose Apps, die die Erstellung von Fake News und Bots unterstützen. Mithilfe von KI lassen sich Profile mit menschlichen Gesichtern kreie- ren, Videos erstellen oder mani- pulieren, eine fremde Stimme in den Mund einer Person legen, Fake Texte und Messages konzi- pieren und vieles mehr.

Fortsetzung morgen  

Sursa: https://adz.ro/artikel/aktuell/artikel/hassrede-trolle-fake-news-und-andere-demokratie-attacken

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