„Hinter den Wäldern, über den Wolken“

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Seit mehr als drei Jahrzehnten treffen sich junge siebenbürgenbegeisterte Menschen auf der Siebenbürgischen Akademiewoche. In diesem Jahr waren 17 junge Erwachsene aus Rumänien und Deutschland in Wolkendorf/Vulcan zusammengekommen, um gemeinsam zu forschen und die Region zu entdecken. Untergebracht waren sie im Gästehaus der Pfarrgemeinde. Von dort aus unternahmen sie Streifzüge durchs Dorf, erkundeten die Kirchenburganlage, lernten das Umland kennen und nutzten die Gelegenheit, Fragen zu siebenbürgischer Vergangenheit und Gegenwart zu stellen. Einige Teilnehmer waren zum wiederholten Male mit dabei. Für andere begann mit dieser Woche die Reise in eine neue Welt.

Die Geschichte der Akademiewoche begann mit einem Jugendableger des in den 50er Jahren in Deutschland gegründeten „Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde“, dem „Arbeitskreis für Jugendseminare“, aus dem schließlich „Studium Transylvanicum“ hervorging. Damals traf man sich in einem Kreis Siebenbürgeninteressierter von Ende Dezember bis Anfang Januar zur Siebenbürgischen Ferienakademie. In einem späteren Format ging es universitärer zu: Doktor- und Masterarbeiten wurden präsentiert – man tauschte sich aus und brachte dabei die anderen auf neue Ideen. Heute ist der Deutsche Jugendverein Siebenbürgen (DJVS) Hauptveranstalter. In diesem Jahr hat man sich auf Anregung zweier Teilnehmer aus dem letzten Jahr auf eine „praktischere“ Ausrichtung der Woche geeinigt. Ziel war eine interaktive Herangehensweise an die Themen, die alle in Bezug zu Wolkendorf standen. 

Geschichte mit Geschichten machen

In Gruppen zogen die Teilnehmer los, um zu recherchieren. Drei Themen, drei Gruppen, drei Zugänge: Die Gruppe, die zum Thema „Sprache“ arbeitete, machte sich auf, um ausgewählte Wolkendorfer zu interviewen. Es entstanden Audioaufnahmen, die sie als Basis für ihr Mini-Forschungsprojekt nutzten. Eine weitere Gruppe setzte sich das Thema „Architektur und Geschichte“ und näherte sich diesem über die Fotografie. Zum Thema „Landwirtschaft und Technik“ führten die Gruppenmitglieder Interviews, die als Video aufgezeichnet wurden. Das Terrain sind das Dorf, die Straßen, die Gebäude, die Menschen. Und auch der Kirchhof wird zum „Tatort“, denn: „Was sind nun eigentlich Nachbarschaften?“ Diese Frage und viele andere beantwortet Pfarrer Uwe Seidner geduldig und auf einer Bank sitzend im Interview. Die gesetzte praktische Ausrichtung hat ihre guten Seiten – eigene Entdeckungen machen, in Eigenverantwortung arbeiten, mit Menschen sprechen und ihre Geschichten aufbereiten. Denn: „Wenn man gezielt nach Dingen sucht, nimmt man sie später viel eher wahr“, sagt Winfried Ziegler, einer der Organisatoren der Akademiewoche, in Bezug auf Details an alten Häusern. 

Ab und raus in die Natur!

Neben Recherchen im Team waren auch in diesem Jahr das praktische Arbeiten und  Ausflüge ein wesentlicher Bestandteil des Programms. Pfarrer Uwe Seidner führte durch die Kirchenburg und begeisterte mit Geschichten und Anekdoten für den Ort und die Menschen, die ihn ausmachen. Ein Kurztrip führte die Gruppe nach Măgura zu Hermann Kurmes, der mit seiner „Villa Hermani“ ein erfolgreiches Ökotourismus-Unternehmen betreibt. Eine Tour durch das schmucke Bergdorf, ein äußerst schmackhaftes Mittagessen und ein professioneller Einblick in den Bereich des Ökotourismus, bei dem keine Fragen offen blieben, standen auf dem Programm. In Zeiden/Codlea erfuhren die Teilnehmer von Horst Schuller alles über die Kirchenburganlage und die Renovierungsarbeiten im Rahmen des dortigen EU-Projekts. Klaus Sifft zeigte die alte Mühle in Wolkendorf sowie das Kleinwasserkraftwerk bei Zeiden.

Uwe Boghian gab den Teilnehmern Einblicke in das traditionelle Handwerk des Gürtelmachens und fertigte mit ihnen gemeinsam Lederarmbändchen und kleine Taschen an.

Samstag ist Präsentationstag

Als die erste Gruppe ihre Ergebnisse präsentiert, ist die Stimmung gelöst. Mittlerweile kennt man sich, lacht miteinander, ist bereit, das Erarbeitete miteinander zu teilen: Die erste Gruppe berichtet über die Sprachverteilung im Dorf, über die Straßennamen und ihre Veränderungen im Laufe der Jahrzehnte, über die Nachbarschaften und nicht zuletzt über die beiden Interviewpartner, denen sie begegnet sind und die ihrer Dorferkundung mit ihren Geschichten Leben eingehaucht haben. Immer wieder flechten die Präsentationsteilnehmer siebenbürgisch-sächsische Worte und Sätze ein – in einer Audioaufnahme berichtet der Wolkendorfer Erhard Tontsch auf Siebenbürgisch-Sächsisch von einer Legende „Wie die Wolkendorfer den Mond aus den Burzen geholt haben“. Die Gruppe, die sich mit Architektur und Geschichte beschäftigt hat, gibt zunächst einen historischen Überblick über die Geschicke des Dorfes, dessen Geschichte als „Villa Volkan“ begann. Dann folgen Einblicke in die Demographie des Dorfes, die Entwicklung der evangelischen Gemeinde, ein Blick auf die Auswanderung der Siebenbürger Sachsen. Danach erwachen die Gebäude des Dorfes zum Leben: Die Fotos zeigen Sachsenhöfe, besondere Elemente siebenbürgisch-sächsischer Architektur, die Schule, das Rathaus, Details, Fensterschmuck. Dann folgt die Gruppe „Landwirtschaft und Technik“. Die Kollektivierung der Landwirtschaft in Zeiten des Kommunismus, Umbrüche in der Wirtschaft, der Alltag als Kleinbauer werden thematisiert. Durch die Interviews mit Kleinbauern aus dem Dorf erhält das Publikum einen Einblick in verschiedene Lebenswelten. Das Dorf Wolkendorf aus drei Perspektiven – und am Ende setzt sich alles zu einem großen Ganzen zusammen.

Hintergründe, Beweggründe und Interessen

Aber wer sind sie, die jungen Menschen, die sich für Siebenbürgen interessieren? Da ist Medea Mihai, die an der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg/Cluj Europastudien in deutscher Sprache studiert. Aufmerksam wurde sie auf die Akademiewoche durch ihre Universität: „Ich komme aus einem Ort hier in der Nähe. Die Woche ist eine gute Gelegenheit, mehr über die Region und die Siebenbürger Sachsen zu erfahren.“ Auch Anna Henning aus Michelsberg/Cisnădioara kann der Akademiewoche viel abgewinnen: „Was mir gut gefallen hat, ist, dass man hier neue Menschen kennenlernt. Ich wusste, es sind 17 Leute, aber ich wusste nicht, wer da teilnimmt. Kinder von ausgewanderten Siebenbürger Sachsen oder Rumänen, die in der deutschen Schule waren oder sich beim Forum engagieren, Leute aus Deutschland? Und jetzt sind Leute aus all diesen Gruppen dabei.“ Juliane Stadtmüller, derzeit Bundesfreiwilligendienstleistende am Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) in München, wusste im Vorfeld nicht, was sie erwarten würde, ist aber dafür umso positiver gestimmt: „Wir haben viel selbst machen und lernen können, haben viel von Wolkendorf gesehen. Es war sehr interessant, das so kennen zu lernen, vor allem für jemanden wie mich, der sich noch nicht mit Rumänien auskannte und noch nie hier war.“ Felix Schötzau studiert eigentlich in Berlin Maschinenbau. Diesen Sommer ist er mit einem Reisestipendium der Zis-Stiftung für Studienreisen in Rumänien unterwegs. Die Stiftung ermöglicht ihm einen vierwöchigen Aufenthalt zu einem besonderen Reiseziel. Am Ende wird er einen Bericht über seine Reise schreiben. Felix hat sich dafür Siebenbürgen ausgesucht und kam so auch zur Akademiewoche: „Mir hat es gefallen, neue Leute kennenzulernen und gemeinsam produktiv zu arbeiten, aber auch, dass man in einem doch eher kleinen Ort ein schönes Thema hat, was man selber entwickeln und bearbeiten kann.“ Es ist wohl diese bunte Mischung, die die siebenbürgische Akademiewoche besonders macht: Gemeinsam erforschen, erkunden, entdecken und Siebenbürgen kennenlernen, vielleicht ein Konzept, das auf diesem Weg auch zukünftig junge Menschen aus Rumänien und Deutschland zusammenbringen kann. 

Sursa: https://adz.ro/artikel/aktuell/artikel/hinter-den-waeldern-ueber-den-wolken

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