Die soziologische Studie „Kulturkonsumbarometer“ („Barometrul de consum cultural 2022“, 18. Auflage) in Rumänien ist erneut im Auftrag des Nationalen Instituts für Ausbildung und Kulturforschung (INCFC) durchgeführt worden. Die Studie und deren Analyse führten Dr. Carmen Croitoru, INCFC-Generalleiterin, Dr. Anda Becuț Marinescu, INCFC-Forschungsleiterin, Dr. Ștefania Matei, Veronica Hampu und Ioana Ceobanu durch. Bekannt gegeben wurden die Ergebnisse bereits Ende Oktober im Rahmen des Nationalen Theaterfestivals. Dabei handelt es sich um eine jährliche Meinungsumfrage zu verschiedenen kulturbezogenen Themen anhand einer landesweit repräsentativen Stichprobe. Ziel der Umfrage ist, die Muster des Kulturkonsums aufzuzeigen und Daten zu aktuellen Themen in Bezug auf die Kulturszene Rumäniens zu sammeln.
Von der Methodologie her wurde die aktuelle Ausgabe im Laufe des vorigen Jahres an einer Stichprobe von 1035 Erwachsenen mit einer maximalen Fehlermarge von +/-3,1 Prozent durchgeführt; die Daten sind für 2022 gültig. Die Anwendung der Fragebögen erfolgte an einer einfachen Zufallsstichprobe, indem Telefonnummern mit einem gültigen Format auf dem Territorium Rumäniens nach dem Zufallsprinzip generiert wurden. Für jeden Befragten wurden soziodemografische Angaben wie Geschlecht, Alter, Bildungsniveau und Wohnortsgröße erfasst.
Jede Ausgabe des Kulturkonsumbarometers umfasst zwei Hauptkategorien: Die erste Kategorie enthält Fragen bezüglich des öffentlichen und privaten Kulturkonsums, die stets unverändert bleiben und einen Vergleich der Ergebnisse über mehrere Jahre hinweg ermöglichen. Die Häufigkeit des Kulturkonsums und die Kulturinhalte wurden allerdings nicht berücksichtigt.
Die zweite Informationskategorie beinhaltet thematische Abschnitte, die spezifische Analysen zu verschiedenen aktuellen Themen ermöglichen. Diesmal wurde auch der Zusammenhang zwischen Kulturkonsum, Bürgersinn und demokratischen Einstellungen untersucht.
Trends vor und nach der Pandemie
Der Vergleich zwischen der Ausgabe 2022 des Kulturkonsumbarometers und der Ausgabe 2019 zeigt auf der Ebene des privaten Kulturkonsums eine Erhöhung des Konsums von Musik und Fernsehprogrammen um elf beziehungsweise fünf Prozent auf.
Was die Internetnutzung im Allgemeinen anbelangt, wurde ebenfalls ein 15-prozentiger Anstieg im Zeitraum der letzten vier Jahre beobachtet. Knapp vier Fünftel der Befragten sagten 2019, dass sie das Internet für soziale Netzwerke nutzen und 2022 stieg ihr Prozentsatz um neun Punkte. Seit 2019 hat sich die Anzahl der Befragten, die auf Websites von Museen, Bibliotheken, Festivals, Theatern, Seiten mit kulturellen Veranstaltungen usw. zugreifen, mittlerweile mehr als verdreifacht und im letzten Jahr 40 Prozent erreicht.
2022 hatten, mit einem Anstieg von 10 Prozentpunkten im Vergleich zu 2019, mehr als ein Viertel der Befragten das Internet für den Kauf von Büchern, CDs, Theaterkarten, Eintrittskarten für kulturelle Veranstaltungen usw. genutzt. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer (um 14 Prozent mehr als 2019) haben voriges Jahr angegeben, das Internet zum Ansehen von online ausgestrahlten Filmen oder zum Verfolgen von Online-Streaming-Diensten wie Netflix, HBO GO, Voyo usw. genutzt zu haben.
Was die Gewohnheiten der Befragten bezüglich der Lektüre von Büchern, Lehrbüchern und Artikeln im Internet angeht, haben letztes Jahr mit 47 Prozent fast doppelt so viele wie 2019 bestätigt, dass sie online lesen. Dabei wurde eine Änderung der Lesegewohnheiten der Befragten festgestellt. Die Lektüre von Büchern im Druckformat ist leicht gesunken und jene von E-Books hat sich im Vorjahr verdoppelt. Auch für Zeitungen und Zeitschriften, die online gegangen sind, wiesen voriges Jahr mehr als drei Viertel der Befragten (um 20 Prozentpunkte mehr als vor vier Jahren) eine Vorliebe auf.
Im Bereich des öffentlichen Kulturkonsums geht aus den verglichenen Daten von 2019 und 2022 hervor, dass letztes Jahr mit 59 Prozent um 14 Prozent mehr als vor vier Jahren ein historisches Denkmal oder eine archäologische Stätte besucht haben. Dagegen wurden Rückgänge von acht bis elf Prozentpunkten im Fall von Theater-, Museums-, Kunstgalerie-, Ausstellungs- und Bibliotheksbesuchen verzeichnet.
Die Ergebnisse des Kulturkonsumbarometers 2022 bestätigen die während der Pandemie festgestellte vorherrschende Ausrichtung des Kulturkonsums auf das Online-Umfeld. Die Analysen zeigen, dass die Konsumunterschiede zwischen verschiedenen sozialen und demografischen Kategorien bestehen bleiben, mit einer tendenziell geringeren Beteiligung von Frauen, älteren Menschen, Menschen aus ländlichen Gebieten und mit niedrigem Bildungs- und Einkommensniveau.
Nichtkonsumenten im öffentlichen Raum
In den Studien „Trends des Kulturkonsums während der Pandemie“ für die Jahre 2020 und 2021 wurde ein hoher Prozentsatz von Nichtkonsumenten im öffentlichen Raum festgestellt, die nicht nur während der Pandemie an keinen kulturellen Aktivitäten teilgenommen haben, sondern dies auch nicht in der Zukunft beabsichtigen. Die Prozentsätze für Nichtkonsumenten sind extrem hoch: knapp drei Viertel für Bibliotheksbesuche, 69 Prozent für das Ansehen eines Films in einem Freiluftkino, 68 beziehungsweise jeweils 66 Prozent für die Teilnahme an Unterhaltungsshows (jeglicher Art) beziehungsweise Musik- und Theateraufführungen in geschlossenen Räumen.
Ein Bericht über Richtlinien und bewährte Praktiken in der öffentlichen Kunst und in Kultureinrichtungen zur Förderung eines besseren Zugangs zu und einer breiteren Teilhabe an Kultur 2012 unterscheidet zwischen mehreren Arten von Hindernissen für den Kulturkonsum. Diese können physischer Natur sein, insbesondere für bestimmte benachteiligte Gruppen, finanzieller Natur für jene, die sich Eintrittskarten oder Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel nicht leisten können, oder geografischer Art für Menschen, die in ländlichen Gebieten leben. Zudem gibt es auch immaterielle Hindernisse, wie zum Beispiel kulturelle Barrieren (Interessen, Lebensentscheidungen, Sprachbarrieren), Einstellungen (institutionelle Atmosphäre) oder die auf der Wahrnehmung fußen, dass kulturelle Institutionen exklusiv seien, auf der Ablehnung bestimmter Formen des kulturellen Ausdrucks oder, dass der kulturellen Teilhabe geringe Bedeutung zugeschrieben wird.
In letzter Zeit ist außerdem ein etwas komplizierteres Problem aufgetaucht, das direkt mit der Fähigkeit zusammenhängt, kulturelle Symbole und Metaphern zu verstehen und mit identitätskulturellen Werten zu verbinden. Diese Verständnisschwierigkeiten hemmen sowohl kritisches als auch kreatives Denken und betreffen Kulturverbraucher und -schaffende gleichermaßen.
Mögliche Lösungen zur Beseitigung der erwähnten Hindernisse wären vor allem die Alphabetisierung der betroffenen Kategorien von Menschen mit dem Schwerpunkt auf einer ausreichenden Bildung von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen für den durchschnittlichen Kulturkonsum, finanzielle Unterstützung für Kulturaktivitäten, die Orientierung an der lokalen Gemeinschaft und der Aufbau des kulturellen Angebots im Verhältnis zu den Interessen und Erwartungen der lokalen Öffentlichkeit. Kulturelle Bildung hilft, die Kommunikation zu verbessern, Konflikte zu lösen und kann kreative Fähigkeiten in einem konstruktiven Geist lenken, was zum sozialen Wohlbefinden beiträgt.
Sozial apathische Jugend
Die meiste freie Zeit wird genutzt, um vom Alltag abzuschalten, angesammelte Spannungen auszugleichen, aber auch als Zeit zur Selbstentwicklung. Der Kulturkonsum nicht nur von expliziten künstlerischen Formen, sondern auch von jenen, die das Bedürfnis nach Information, Wissen oder Verstehen und Entschlüsseln sozialer Kontexte und der eigenen Rolle umfasst, der oft mit Freizeitaktivitäten assoziiert wird, schafft eine zeitweilige Entkopplung vom Alltag, widmet Zeit dem Nachdenken, Bewerten und der Selbstpositionierung und wird zu einer starken Quelle der Selbstmotivation. Sehr oft wird diese Zeit ausschließlich zu einer hektischen Suche nach Unterhaltungs-Eskapismus, ohne Komplikationen, mit sofortiger Wirkung und ohne zusätzliche Bewusstseinsanstrengungen.
Die aufgezeichneten Ergebnisse deuten jedoch auf eine soziale Apathie unter Jugendlichen in Rumänien hin. Mehr als die Hälfte der jungen Erwachsenen, die viel Zeit im Internet und in den sozialen Netzwerken verbringen und diese täglich nutzen, sind eher misstrauisch, haben ein geringes Maß an bürgerschaftlichem Engagement, obwohl sie den Umweltschutz für einen wesentlichen Aspekt halten. Das Bewahren der nationalen Identität betrachten sie dagegen nicht als wesentlich. Die meisten dieser jungen Erwachsenen haben niemals eine Petition mit sozialem oder politischem Inhalt unterschrieben, beabsichtigen es auch nicht und haben kein Interesse daran, an Straßendemonstrationen teilzunehmen.
Menschen, die sich häufiger an verschiedenen Arten kultureller Aktivitäten beteiligen, nehmen allerdings auch in größerer Anzahl am Vereinsleben teil. Ein solches Ergebnis zeigt, dass kulturelle Teilhabe in der rumänischen Gesellschaft nicht isoliert, sondern im Gegenteil das soziale Engagement begünstigt und Möglichkeiten zur Sammlung von Sozialkapital bietet, das sich aus der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft von Menschen ergibt, die gemeinsame Anliegen, Interessen oder Vorlieben teilen.
Demokratie beruht auf Kulturteilnahme und Bildung
Die Ergebnisse der Analysen verdeutlichten den direkten Zusammenhang zwischen der Teilhabe an Kultur – egal ob im öffentlichen, privaten oder Online-Bereich – und dem bürgerschaftlichen Engagement.
Auch die Hypothesen zum direkten Verhältnis zwischen der Teilhabe an Kultur und der Offenheit gegenüber Andersartigkeit, Toleranz und sozialer Mobilisierung wurden teilweise bestätigt.
Laut Umfrage seien die Bedeutung, die der Meinungs-, Religions- und Wahlfreiheit, der Ahndung straffähiger Taten entsprechend ihrer Schwere und dem Naturschutz beigemessen wird, das Vertrauen in die Menschen in der Nachbarschaft, die Toleranz gegenüber Menschen anderer Volksangehörigkeit und ausländischen Arbeitnehmern auf die Teilnahme an kulturellen Aktivitäten zurückzuführen. Online-Formen des Kulturkonsums erwiesen sich dabei als wichtiger als andere Formen des Kulturkonsums für die Gestaltung demokratischer Einstellungen und Verhaltensweisen.
Schlussfolgernd hebt die Analyse der Beziehung zwischen kultureller Teilhabe, Bürgersinn und demokratischen Einstellungen sowohl die Notwendigkeit, einige Initiativen umzusetzen, die auf einem Modell der Bildung durch Kultur basieren, als auch die Rolle der Gemeinschaftsentwicklung durch Kultur hervor, obwohl in einigen Fällen Bildung nachweislich mehr Einfluss auf die demokratischen Einstellungen der Bürger als die Teilnahme an kulturellen Aktivitäten ausübt.