Peter Barth und Dr. Matthias Plack

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„Peter Barth lebte fast das ganze 20. Jahrhundert hindurch, eine geschichtlich sehr bedeutende Zeit: der Erste Weltkrieg, der Zweite Weltkrieg, beide Kriege mit ganz großen Folgen danach, was politisch, staatlich, völkisch und so weiter nicht nur für die Banater Deutschen ausmachte.“ Mit diesen Worten begann Dr. med. Matthias Plack seinen Vortrag zum Gedenken an den Apotheker und Dichter Peter Barth, zu dessen 125. Geburtstag in seinem Heimatort mit Kirchweih verbunden eine Gedenktafel enthüllt wurde. Diese Gelegenheit nahm ADZ-Redakteurin Astrid  W e i s z  wahr, um sowohl über den Geehrten als auch über Placks eigene Dichtung und Prosa zu sprechen.

Herr Plack, wie haben Sie Peter Barth kennengelernt?

Ich war in Blumenthal ab 1961 Arzt und Peter Barth ist die letzten fünf Jahre, 1963 bis 1968, nochmal nach Blumenthal gekommen in die Apotheke. Und ich war nachher noch weiter bis 1974 Arzt und er ist ja auch noch einige Jahre da gewesen. Zwangsweise haben Arzt und Apotheker in einem Dorf miteinander zu tun und dann ist bei uns natürlich auch die persönliche Seite dazugekommen und er hat sich sehr gefreut, dass er ein bisschen jemanden hatte, mit dem er auch sonst noch verkehren kann, sonst war er privat ziemlich zurückgezogen. Er war sehr freundlich, sehr beliebt, sehr bekannt, aber es waren keine Beziehungen in dem Sinne. Es war eine Seltenheit, dass er jemanden zu Hause empfangen hat.

Was war Peter Barth für ein Mensch? 

Er war ruhig, gelassen, sehr freundlich, sehr bescheiden und sehr „gscheit“ und wissensdurstig. Von seinen Gedichten wusste ich schon von früher, als sein Gedichtband „Flammengarben“ herausgekommen ist. Das war recht viel in Gesprächen im Dorf, eine richtige Sensation, weil es vorher keinen hier in Blumenthal gegeben hatte, der in der Richtung gearbeitet oder geerntet hat. Seine Bücher sind schnell verkauft worden. Doch sein Leben war bis dahin sehr abwechslungsreich und auch schwer gewesen. Es war eine geschichtsträchtige, oft schwierige Zeit, in der Peter Barth sein Leben führte. Er kam am 2. Juni 1898 in Blumenthal, heute Mașloc, zur Welt. Er begann die Grundschule in ungarischer Sprache, wurde als guter Schüler vom Pfarrer weiterempfohlen, war dann vier Jahre im Radnaer Kloster, von wo er wiederum nach Szeged geschickt wurde, um Priester zu werden. So begann er die theologische Schule in Gyöngyös. Peter Barth hat jedoch mit 21 Jahren erkannt, dass der Priesterberuf nicht seine Berufung ist und beantragte die Entlassung aus der weiteren theologischen Ausbildung. Weil er Stenografie beherrschte, musste er den Revolutionären der Räterepublik mit seiner Fähigkeit dienen. Als er es mit der Angst zu tun bekam, änderte er einen Botengang und kehrte nach Blumenthal zurück. Er musste nun die Eignung für den Besuch der Universität in rumänischer Sprache nachweisen und schrieb sich 1923 in das Medizinische Institut zu Klausenburg, Fachbereich Pharmazie, ein. Dies wurde sein Traumberuf, den er bis zu seinem 70. Lebensjahr versah. In der Zwischenzeit, 1919 bis 1923, arbeitete er als Hilfslehrer bei den Kindern der ungarischen Herrschaft in Fibisch. Die ersten Gedichte schrieb er in ungarischer Sprache als Student in Gyöngyös. Sie haben nicht überlebt, bis auf eines. Mit dem Umzug nach Klausenburg kam er mit der sächsischen Studentenschaft in Berührung und eignete sich einen unwahrscheinlich großen deutschen Wortschatz an. Für ihn war nun wieder die deutsche Sprache, seine Muttersprache, das wichtigste Verbindungsglied der Zusammengehörigkeit einer Gemeinschaft, die er immer wieder gepriesen hat. Peter Barth schrieb aus einem inneren Drang seine Gedichte, nicht auf Geheiß oder politisch zweckdienlich. Er hat sich nie politisch betätigt. Die Vermarktung seiner Werke blieb ihm fremd. Zu Lebzeiten sind nur vier Gedichtbände erschienen und nach seinem Tod vier Bände, herausgegeben von seinen Verehrern. 

Was hat Sie an seinen Gedichten am meisten beeindruckt? 

Es ist seine Sprache. Er ist in der Sache so klar, so eindeutig, so sauber deutsch, wie es nicht besser geht. Und die Art und Weise zu schreiben, man kann sagen, das ist ihm aus der Feder geflogen. Er hat jeden Tag sein Heft mit in der Apotheke gehabt und zwischen Kunden hat er geschrieben. Bis zu vier Gedichte an einem Tag. Und das war nachher fertige Arbeit. Er hat zwar nachher, auch mir gegenüber erzählt, dass er nie endgültig zufrieden ist mit seinem Werk und er es immer wieder durchschaut  und etwas daran macht. Aber ich habe von ihm fünf Urschriften, Hefte bekommen und daraus habe ich nachher einen Band herausgegeben. Am Abend hat er die Gedichte umgeschrieben auf diese Studentenblöcke. Da hat auf fünf Seiten gerade mal ein Komma gefehlt, so perfekt hat er geschrieben, die Metrik mit Vers, mit Strophe, mit Reimen, mit Rhythmus, alles drin im Stil der späten Romantik, fern der modernen Lyrik. Fast ein Wunder. Man bezeichnet ihn als Heimatdichter, aber die Leute wissen nicht, was sonst sozial und gesellschaftlich in diesen Gedichten enthalten ist. Das ist ja eigentlich nicht bekannt. Peter Barths Gedichte stellen ein Denkmal für sein geliebtes Banat, für die Menschen, Kirche in der Dorfmitte und dem trauten Glockenklang von seinem Turm, für alle, die hier lebten, dar. Beginnend mit dem Vaterhaus, dem Blumengarten davor, mit der Form der Arbeit und des feierlichen Lebens der Gemeinschaft bis zu den traurigen Erlebnissen der Banater Volksgemeinschaft. Er hatte die Unbill des Kommunismus am eigenen Leibe erlebt und die Armut, Elend, Ängste des Einzelnen mit in seine Gedichte einbezogen. Dies hatte er meisterhaft getan, versteckt vor der Zensur, kämpferisch, aber auf Ausdauer und Vertrauen setzend, mit der Vision einer glücklichen Zukunft. 

Sind Sie wegen Peter Barth dazu gekommen, selber auch Gedichte zu schreiben?

Ich habe in der Jugend Liebesgedichte geschrieben, dann hat mein Sohn mit acht Jahren Wilhelm Busch zu lesen begonnen und da habe ich für ihn drei-vier Geschichten wie Wilhelm Busch geschrieben. Doch mein Sohn ist mit 16 umgekommen und dann habe ich danach begonnen, das Thema zu verarbeiten. Das dauerte auch zwei, drei Jahre und dann war wieder überhaupt nichts. Dann war ich bei einer Operation, und als ich aufgewacht bin, war ich so beeindruckt, wie am Fenster der Frühling hereingeschaut hat, dass ich das erste Mal ein Gedicht thematisch geschrieben habe, für den Professor, der mich operiert hat. Ja, und dann habe ich begonnen, hin und wieder mal zu schreiben. Meine Frau ist dann krank geworden, zehn Jahre lang, bis sie gestorben ist. Und bei jeder Operation habe ich an der Tür draußen gesessen und habe Gedichte geschrieben.

Ist Gedichteschreiben auch Medizin?
Ja, was ich dann geschrieben habe, waren gewöhnlich Dinge, wie eine Medizin auch, aber mehr dahin, wie man zum Beispiel eine Krankheit annimmt, oder wie sich die Zukunft mit der Krankheit stellt, und solche Dinge. In die Rente gekommen, habe ich mit 63 richtig angefangen zu schreiben, jede Woche zwei, drei Gedichte. Aus jeder kleinsten Sache habe ich irgendwie etwas machen können. Dann habe ich das erste Buch herausgegeben, das war mit 50 Exemplaren für die Familie, und das hat Leuten gefallen, da habe ich dann 500 davon abgesetzt. Und dann nach zwei Jahren ist das zweite Buch gekommen, und nach wieder zwei Jahren das dritte Buch. Dann habe ich fleißig geschrieben. 
Peter Barth hat nie auf Thema oder Befehl geschrieben, das habe ich auch nicht. Man hat Gelegenheit zum Geburtstag und solche Sachen, aber wenn mich etwas interessiert hat oder interessant war, dann habe ich geschrieben. 

Wie sind Sie von den Gedichten zur Erinnerungsprosa gelangt?

Das war ein Zufall. Es war Pandemie, und da hatte ich davor mein letztes Buch herausgegeben, mehr oder weniger in Zusammenfassung, und auch ein bisschen kritisch dazu. Meine Buben wollten immer wissen, wie es früher gewesen war. Da habe ich ihre Streiche herausgesucht und aufgeschrieben, nicht wie ein Tagebuch, aber beim Erzählen und in den Erinnerungen ging es mal um den einen Kranken, dann einen anderen... und zum Schluss ging es mehr um die Kranken als um die Buben in den Geschichten. Ich habe nicht die Krankheit thematisiert, sondern die Menschen und das Benehmen von Menschen. Und ich wollte ursprünglich die Schrift als „Buch der Unschicklichkeiten“ herausgeben, denn es ging immer darum, dass der Patient sich unschicklich benommen hat: Dass er etwas gewünscht hat, was er nicht hätte dürfen, oder nicht hätte sollen. 165 Stückchen sind entstanden, von denen auch 30 aus dem privaten Leben. „Ein Arzt erzählt über seine Erlebnisse im Banat und in Deutschland“ war letztendlich der Titel, auf den sich Familie und (Oswald Hartmann)Verlag einigten. Vom 1. November 1961 bis 1. November 1974 war ich im Blumenthal Arzt.

Was war Blumenthal für ein Ort damals? 

Ich stamme zwar aus Paulisch, aber wir sind hier zu Hause gewesen. Meine Frau und ich haben uns in Blumenthal sehr gut gefühlt, lauter Schwaben, und die waren glücklich, dass ein deutscher Arzt kommt. Meine Frau war in der Schule Lehrerin. Bei den Kirchweihfesten und auch sonst bei Festen war ich immer dabei, fast bei allen Hochzeiten. Und da hat es immer eins gegeben: gebratenes „Pürzel“ von der Gans und Bäckerkipfel. Das waren meine Lieblingsspeisen, die Köchin auf der Hochzeit hat das gewusst, und das habe ich dann gekriegt. Die Blumenthaler sind zugänglich, lustig, aufgeschlossen, aber am Anfang auch zurückhaltend, so wie alle anderen auch. 

Sursa: https://adz.ro/artikel/aktuell/artikel/peter-barth-und-dr-matthias-plack

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