Hermannstadt – „Es ist eine fixe Idee von mir, dass ich keine Patienten habe, sondern Co-Therapeuten“, meinte Adrian Bratu, Jahrgang 1974 und an der Lucian-Blaga-Universität Sibiu (ULBS) studierter Psychologe, Ende November, eine Stunde nach Eintritt der Dunkelheit im Foyer des Astra-Bibliothek-Neubaus. Und wahrscheinlich war genau das die Erklärung für den Publikums-Zustrom der Vorstellung seines Buches „12 Povești din fotoliul unui psiholog“, die das räumliche Fassungsvermögen der Lokalität bis auf ihren allerletzten möglichen Stehplatz ausnutzte. Denn sobald ein Psychotherapeut nach 25 Jahren Berufstätigkeit sein allererstes Buch schreibt, das noch dazu im Hermannstädter neuen Verlag „Tezaur“ veröffentlicht wurde, könnten die Chancen auf Kennenlernen eines Profis, der sehr viel von der Verletzbarkeit der menschlichen Seele weiß, sich aber keine Spur Eigenlob zu viel darauf einbildet, nicht besser stehen. Es wäre ohnehin nicht Sache eines Therapeuten, an erster Stelle Ratschläge zu erteilen. Adrian Bratu ist eher davon überzeugt, dass „eine psychotherapeutische Sitzung mit dem Fazit ´Fortsetzung folgt´ oder ´wenn du willst´ statt mit ´es muss´ endet.“
12 individuelle Fallgeschichten hat der in Hermannstadt lebende Psychologe in sein Buch verwoben, dessen Cover-Rückseite einen Aufschluss über die Biografie des Autoren gibt – auch diese Zeilen stammen sicher von Adrian Bratu selber, der von einer allgemeinen „Freude an der Freiheit“ nach der Revolution 1989 spricht, die noch während der ersten Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs mit „einem viel härteren Leben als im Kommunismus“ gepaart war. „12 Pove{ti din fotoliul unui psiholog“ ist zwar nur das überhaupt erst zweite Buch im Angebot des 2022 gegründeten Verlags „Tezaur“, doch Zeugnis eines Psychotherapeuten in der Lebensmitte, der 1989/90 gerade 16 Jahre alt war und zweifelsohne auch persönlich Erfahrung im Umgang mit zermürbenden Fragen an sich selbst hat. „Meine Geschichten sind sowohl real als auch nicht real, weil ich sie so weit verändert habe, dass ihre Vertraulichkeit nicht geschädigt wird“, sagt Adrian Bratu mit Hinweis auf das Inhaltsverzeichnis der 176 Paperback-Seiten. Elf Geschichten tragen Vornamen von Kindern und Erwachsenen, und die zwölfte trägt keinen Namen. Alles in allem „sehr unterschiedliche Geschichten“, unterstrich in der Astra-Bibliothek Cătălina Costache als Geschäftsführerin der Polisano-Stiftung und Moderatorin der Buchvorstellung. Iuliana Aura Hazot², Herausgeberin beim Verlag „Tezaur“, findet den neuen Band gut, weil er seinen Lesern helfen könne, Schmerz in Klugheit umzumünzen.
Zur Vorstellung seines Buches eingeladen hatte Adrian Bratu auch Psychologin Luciana Haloiu aus Bukarest, die sich nicht zweimal bitten ließ, Wichtiges der Branche aus erster Hand anzuschneiden: „Das Berufsleben drängt sich oft stärker als der private Alltag auf, und nicht darüber zu sprechen, ist wie ein Gefängnis.“ Dass Adrian Bratu und seine „12 Geschichten aus dem Sessel eines Psychologen“ zum Ausbruch aus der Falle des Schweigens geradezu ermutigen, brauchte im brechend vollen Bibliotheks-Foyer nicht extra erklärt zu werden. Psychotherapeut R²zvan Pleteriu glaubt an die breite Eignung des Buches von Branchenkollege Adrian Bratu für Leser mit wie ohne Vorwissen, während Berufsmusiker Radu Nechifor, regional für seine Ausstrahlung als Spieler der Panflöte bekannt, empfiehlt, sich dem Fluss des Buchinhalts hinzugeben. „Man wird beim Lesen nicht spüren, ob es sich um schweren oder leichten Stoff handelt.“ Eine authentisch transsylvanische „doin²“, die er mit der Klavierbegleitung von Marius Tu]² zum Besten gab, ließ jedoch klar durchschimmern, dass bei allem Genießen der Lektüre auch etwas Bereitschaft zu „schmerzhaften Fragezeichen“ nötig ist, die Adrian Bratu als letzter Redner der Buchvorstellung nur bestätigen konnte. „Psychologische Anteile“ übrigens fänden sich grundsätzlich „in jedem Buch“.