Über die „Stadt- und Kulturgeschichte von Reschitza“

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„Alles (wirkliche) Leben ist Begegnung“, heißt es beim zum Katholizismus übergetretenen Israeliten Martin Buber, und diese gleichermaßen wahre wie vielzitierte Aussage wählte sich „Der Heiligenhof“ in dem kürzlich zum Weltkulturerbe deklarierten Bad Kissingen zum Wirkungs-Motto. Inwiefern dort jederzeit „Begegnungen“ stattfinden, die Brücken zum „wirklichen Leben“ und zwischen den Menschen schlagen, diese Einsicht dürfte wohl nur der überall präsente, quirlig-unermüdliche und bestens informierte Heimleiter Gustav („Gusti“) Binder wissen, von  Geburt aus ein Hermannstädter mit nach wie vor besten Verbindungen zu seinem Herkunftsort, der aber auch eine überzeugende Figur als Kurortführer mit vielseitig-profunden Kenntnissen zur Orts- und Raumgeschichte abgibt und es gleichermaßen versteht, den unentbehrlichen und auch technisch bewanderten Gastgeber nicht nur zu spielen, sondern zu sein.

Er, Gustav Binder, begrüßte gemeinsam mit dem Präses des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen, Erwin Josef Țigla, sowie dem emeritierten Soziologieprofessor und aktiven Schriftsteller Prof. Dr. Anton Sterbling  die rund 50 Teilnehmer am vom „Kulturwerk Banater Schwaben e.V.“ unterstützten „Reschitza“-Symposium, das zu Beginn der zweiten Novemberdekade im Bildungshaus von Bad Kissingen startete. Die (einen Tick zu langen) Einführungen zur Veranstaltung innerhalb der Reihe „Stadt- und Regionenporträts osteuropäischer Räume“, in denen einst Deutsche gelebt haben bzw. noch leben, zeichneten den vielschichtigen und nicht sehr streng abgegrenzten Rahmen vor, in dem sich die Vorträge, Sitzungen und Statements der folgenden drei Tage bewegten, die vielfach von überaus kompetenten Referenten bestritten wurden, die von E. J. Țigla und Anton Sterbling mobilisiert sowie von Binder und Țigla moderiert wurden.

Țigla selbst eröffnete den Reigen der Referenten mit seinem Vortrag „Abseits des Fokus´. Das Modell ‚Reschitzaer Vortragsreihe‘“. Selbst einer der Geburtshelfer dieses „Modells“, muss gesagt werden, dass der vor rund 36 Jahren noch im vollen Ceau{escu-Kommunismus gegründete Kultur- und Erwachsenenbildungsverein „Deutsche Vortragsreihe Reschitza“ in der Tat – und durch die Tat-Kraft ihres Promoters Țigla – zu einem Fokus des deutschen und zunehmend des rumänischen Kulturlebens im Banater Bergland wurde, dem nichts Vergleichbares gegenüber steht, weder in Rumänien noch in Osteuropa, in keinem der ehemals von Deutschen dicht besiedelten Gebiete. Reichlich Illustrationen aus dem riesengroßen Fundus des systematischen Sammlers Țigla hätten dem Vortrag gutgetan.

Bilder vom Auf und Ab einer Stadt

Im Kontrast dazu war der folgende Vortrag „Reschitza im Wandel“, zusammengestellt aus der elektronisch gespeicherten Sammlung alter Reschitza-Postkarten und -Fotos  von Lucian Duca, die der Autor dieses Berichts mit eigenen Fotos vervollständigt in Teilen kommentierte, eher zu bildlastig, obwohl dadurch auch starke Eindrücke vermittelt wurden – wie dem Referenten nachträglich zugeflüstert wurde. Es ging um den Werdegang von Werk und Stadt Reschitza (in der angegebenen Reigenfolge: erst Werk) und um die Entwicklungsbrüche, die der ehemals gewichtigste Schwerindustriekonzern Osteuropas in etwa seit 1848 durchgemacht hat, mit Gründung der Staats-Eisenbahn-Gesellschaft (StEG), der Einverleibung des Banater Teils dieses Konzerns durch das Königreich Großrumänien 1920 als UDR, den nächsten Bruch in den 1960er Jahren, als die „sozialistische Industrierevolution“ begann, um den Bruch durch die Wirtschaftsmegalomanie der Ceau{escu-Zeit und den tiefen Fall nach der Wende, als das bereits geschwächte rumänische Schwerindustrie-Flaggschiff Reschitza zur Industrieruine herabgewürdigt wurde, die heute noch ums Überleben kämpft. Alles dicht auf dicht illustriert mit Ansichtskarten und Fotos (auch des hochverehrten Werksfotographen Moni Heel). Den im Titel des Vortrags angesprochenen „Wandel“ sehen die Referenten im urbanen Ummodelungskurs der seit 2016 amtierenden Stadtführung, die sich redlich bemüht, aus Reschitza eine lebenswerte Stadt zu formen, Reschitza ein zukunftsweisendes Gesicht zu verleihen.

Dr. Hans-Heinrich Rieser versuchte eine Antwort auf die Frage, warum „gerade in Reschitza das industrielle Herz Südosteuropas geschlagen“ hat und begann mit den „naturräumlichen Hintergründen“, der Geologie des Raums. Der Geograph aus Tübingen, der mehrere Referenzstudien übers Banat veröffentlicht hat, brachte die überzeugenden Argumente für die spätere – eigentlich schon zur dakisch-römischen Zeit erfolgte – Nutzung der Erzvorkommen und der sonstigen Rohstoffe des Banater Berglands, die die Grundlage für etwa 150 Jahre industrielle Hochkonjunktur dieses Raums bildeten. 

Herkunfts- und Sprach- Geschichtliches

Marionela Wolf, eben-falls aus der „Tübinger Wissenschaftlergruppe“, stellte Ergebnisse ihrer Archivforschungen vor. Sie analysierte „Auswandererbriefe aus dem Banater Bergland“, die an die in den Herkunftsorten Zurückgebliebenen gerichtet waren, ein Fundus, der es unbedingt wert wäre, dass auf ihn auch, etwa in einem ADZ-Jahrbuch, aufmerksam gemacht würde. Und Josef Wolf, der Dritte im Bunde, bewies einmal mehr seine Akribie als Wissenschaftler, indem er „Das Banater Bergland als Migrationsraum“ vorstellte. Er wählte einige der hier lebenden Volksgruppen aus dem mehr als einem Dutzend aus und stellte sie sprachlich, ethnologisch und herkunftsgeschichtlich vor, was auch viele Rück- und Klärungsfragen aus dem Publikum anstieß. Josef Wolf war auch anson-sten ein Gewinn dieser Tagung, indem er oft aus seinem umfangreichen und in die Tiefe gehenden Wissen über den Raum des Südbanats ergänzende klärende Hinweise gab.

Der Prodekan der Reschitzaer Filiale der Klausenburger „Babeș-Bólyai“-Universität (UBB), Christian-Paul Chioncel, sprach sodann in einem bebilderten Vortrag über „Das Hochschulwesen in Reschitza im 20. und 21. Jahrhundert“.

Zwei Höhepunkte gab es im Anschluss: Prof. em. Dr. Hermann Scheuringer aus Regensburg referierte über „Sprache und Dialekte im Banater Bergland“ und arbeitete Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu verwandten Dialekten des deutschen Sprachraums sowie eklatante Interferenzerscheinungen des „Berglanddeutschen“ mit dem Rumänischen anhand von zahllosen Beispielen heraus. Der Vortrag war ein Genuss für sprachwissenschaftlich Geschulte, aber auch für Interessierte, versteht es doch der in den deutschen Dialekten Südosteuropas durch Direktkontakte/Forschungsaufenthalte Versierte, sein Wissen gewandt und verständlich, streckenweise auch charmant, weiterzugeben. 

Ähnlich verfuhr Prof. Dr. Rudolf Gräf bei der Analyse der Vorgänge des Transfers des Staats Eisenbahn Gesellschaft (StEG)-Besitztums an den Betrieb UDR in Großrumänien nach 1919. Er nutzte dabei sowohl eindeutig propagandistisch eingesetzte Auszüge aus rumänischen Zeitungen der Jahre 1920 bis 1930 als auch offizielle Schreiben des letzten StEG- und ersten UDR-Generaldirektors Adalbert Veith, der sich als gewiefter Politiker entpuppte, dessen auf abendländischer Mentalität, Erfahrung und Bildung fußende Rat- und Vorschläge sowie Voraussagen über künftige Werks- und Wirtschaftsentwicklungen aber bei den neuen, balkanisch-orthodox-orientalischen Buka-rester Ober-Machern, inklusive beim Vertrauten und Vertreter des Königshauses, Prinz Stirbey, auf geflissentlich verstopfte Ohren stießen.

Musik und familiäre Bezüge

Günther Friedmann (Sindelfingen), der neue und alte Vorsitzende des Heimatverbands der Banater Berglanddeutschen, stellte umfangreich seinen Heimatverband vor, um danach mittels zum Teil seltenen Bildern über das „kulturelle Leben in Reschitza“ zu referieren, mit Hauptbetonung auf dem Musikleben (Friedmann ist ein passionierter Hobbymusiker und Bandleader mit zahlreichen kommerziellen Aufzeichnungen). Die Sicht Friedmanns auf die Entwicklung der Musik, die Musik und die Reschitzaer Arbeiterschaft, wäre es wert, einem breiteren Publikum zugänglich gemacht zu werden.

Aus soziologischer und psychologischer Sicht hochinteressant war der Vortrag von Luise Frank aus Regensburg, eine geborene Ferdinandsbergerin mit banat-schwäbischen Wurzeln, die vierjährig ausgewandert ist und sich in Deutschland vollkommen integriert hat (sie ist Sprecherin einer Naturschutzorganisation), während ihre ältere Schwester sich nie richtig in Deutschland einleben konnte und heute in der Schweiz, als „Ausländerin“ lebt. Beide Töchter von Luise Frank seien „völlig in Bayern integriert und mit keinerlei Bezug zu Rumänien“, während sie selber, durch die früheren häufigen Besuche bei ihrer Tante in Ferdinandsberg, sich trotz Verlust der rumänischen Sprache noch an Rumänien gebunden fühlt.

Den Abschluss  machten Anton Sterbling mit einer kurzen soziologischen Analyse des Großraums Reschitza und seiner Sicht auf die Stadt aufgrund eines mehrjährigen konjunkturellen Aufenthalts in seiner Jugend und Werner Kremm, der Erinnerungen an Rolf Bossert zum Besten gab und aus dessen Gedichten kommentierend las.
 

Sursa: https://adz.ro/artikel/aktuell/artikel/ueber-die-stadt-und-kulturgeschichte-von-reschitza

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